Hintergrund
2017 wurde eine neue Klassifikation epileptischer Anfälle und Syndrome seitens der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) publiziert und als verbindlich proklamiert. Nach der Publikation wurden erhebliche Zweifel an der lückenlosen Umsetzbarkeit im Deutschen und in der klinischen Praxis geäußert.
Fragestellung
Anhand von Arztbriefen aus unserer Einrichtung für Menschen mit Epilepsie zu untersuchen, inwieweit die neue Klassifikation angewandt wird.
Studiendesign und Untersuchungsmethoden
Vom Stichtag 01.12.2017 wurden retrospektiv die letzten Arztbriefe aus unserer Klinik daraufhin überprüft, ob die neue Klassifikation verwendet wurde und welche Änderungen besonders häufig noch nicht übernommen wurden. Zudem wurden die Ärzte unserer Klinik anonym zu Kenntnis, Wertung und Einsatz der neuen Klassifikation befragt.
Ergebnisse
Von 76 ausgewerteten Arztbriefen wurde die neue Klassifikation uneingeschränkt in 28 Briefen verwendet (37 %). Der häufigste Grund für eine nicht vollständige Umsetzung war der Gebrauch alter Anfallsbezeichnungen wie bilateral konvulsive Anfälle (n = 15), dyskognitive Anfälle (n = 8) und Auren (n = 6). Von 8 befragten Ärzten gaben 6 an, die neue Klassifikation gut zu kennen. 5 Ärzte fanden sie sehr gut oder gut. Im klinischen Alltag setzte die Hälfte der Befragten die neue Fassung selten ein, die anderen gebrauchten sie häufig oder meistens.
Diskussion
In unserer Spezialklinik wurde die neue Klassifikation nur in einem Drittel der Fälle umgesetzt, trotz subjektiv überwiegend guter Kenntnis dieser. Die Bewertung der neuen ILAE-Version durch unsere Ärzteschaft war unterschiedlich. Es ist absehbar, dass einige jetzt offiziell abgeschaffte Begriffe, die sich wegen ihrer Verständlichkeit und Praktikabilität sehr bewährt haben, kaum aus unserem Vokabular verschwinden werden.